Harisongbook:
"Not Guilty"
(von George Harrison,
07.08.1968 Abbey Road Studios, London)
07.08.1968 Abbey Road Studios, London)
Die Geschichte dieses Songs geht weit zurück ins Jahr 1968. Die Beatles waren gerade frisch aus Rishikesh-India zurück, und George war durch diese Reise zum spirituellen Leader der Band aufgestiegen und hatte wie der Rest der Gruppe viele Songs aus Indien mitgebracht, die nun bei George zu Hause in den legendären Kinfaus Sessions eingespielt werden sollten.
In Harrison's Bungalow in Surrey, Kinfauns trafen sich alle Beatles gutgelaunt im Mai 1968 und spielten die allererste Unplugged-Session der Beatles gemeinsam ein. Eine später erschienene CD aus dieser Zeit beleuchtet und belegt diese wunderbaren akustischen Ausflüge der Band, die ohne Verstärker und Studiotechnik so frisch und froh daherkommt, dass es eine Freude ist zuzuhören und zeigt wozu die Gruppe fähig war, bei guter Laune und entsprechender Harmoniebereitschaft. Wären diese Aufnahmen offiziell als Unplugged CD erschienen, hätte sich gewiss eine sehr große Fangemeinde dafür gefunden.
Erst am Ende der Kinfaus Demo Tapes Sessions bekam George die Gelegenheit seine Songs einzuspielen, darunter war die graziöse Version von "While My Guitar Gently Weeps", "Long Long Long" und vier andere Songs: "Circles". "Sour Milk Sea", "Piggies" und "No Guilty ". Wie üblich schafften es fast alle Songs von Lennon-McCartney auf das Weiße Album, von George wurden nur "Long Long Long", "Piggies", "Savoy Truffle" und "While My Guitar Gently Weeps" übernommen. Wobei "While My Guitar Gently Weeps " sich von einer ja sehr delikaten akustischen Version zu einem Rock Opus epischen Ausmaßes entwickelte und aller Welt gut im Gedächnis geblieben ist, als der wohl anerkanntermaßen beste Song auf dem Weißen Album.
("While My Guitar Gently Weeps" bei YouTube)
Der Song "Sour Milk Sea" ist von George während der Zeit in Rishikesh geschrieben worden und spiegelt seine Erfahrungen mit der Meditation. Er erachtete den Song aber später als zu spirituell, um von den Beatles aufgenommen und produziert zu werden, er ahnte es intuitiv und gab den Song "Sour Milk Sea" an Jackie Lomax, einem alten Freund aus den Liverpooler Tagen, der bei Apple auch unter Vertrag stand, genauso wie James Taylor, der mit "Caroline On My Mind" auch einen großen Hit bei Apple hatte. Jackie Lomax war der ehemalige Sänger der Undertakers, einer Band aus der Zeit des Merseybeats, die wie die Beatles in frühen Tagen Liverpool in Atem hielten. Beide Songs wurden denn auch von den Beatle-Mitgliedern betreut, und bei Lomax spielt Harrison auch einen legendären Gitarrenpart.
George erinnert sich in seiner Autobiographie "I Me Mine":
"I wrote Sour Milk Sea in Rishikesh, India. I never actually recorded the song - it was done by Jackie Lomax on his Album "Is This What You Want". Anyway, it's based on Vishvasara Tantra, from Tantric art : it's a picture which is called Sour Milk Sea - Kalladi Samudra in Sanskrit - the origin and growth of Jambudvita, the central continent, surrounded by fish symbols, according to the geological theory of the evolution of organic life on earth. The appearance of fishes marks the second stage. Well, that's the origin of the song title - but it's really about meditation :
Looking for release from limitation?
There's nothing much without illumination
Can fool around with every different cult
But there's only one thing which really brings results
Get out of Sour Milk Sea
I Used Sour Milk Sea as the idea of - if you're in the shit,
don't go around moaning about it :
do something about it :
Jai Guru Dev"
( "Sour Milk Sea" bei YouTube)
Die beiden verbliebenen Songs "Circles" & "Not Guilty" nahm George Jahre später auf, "Not Guilty" erschien auf "All Things Must Pass" und "Circles" erschien auf "Gone Troppo".
"Not Guilty" hatte mehr Takes als alle je eingespielten Beatles-Songs je aufweisen konnten, nämlich sage und schreibe 101. George Harrison sagte, dass dieser Song der kleine Bruder von "Wah-Wah" sei, einer Abrechnung mit Paul und John, die ihm beide ziemlich auf die Nerven gingen mit ihrer ständigen Rumnörgelei und ihrer ganz privaten speziellen Exzentrik. George sollte dazu sagen:
"It was me getting pissed of with Lennon and McCartney for the grief I was catching during the making of this white album. I said I wasn't guilty of getting in the way of their careers. I said I wasn't guilty of leading them astray in our all going to India to see the Maharishi. I was sticking up for myself and the song came off strong enough to be saved and utilised. "
Yogesvara alias J.M. Green erzählt in seinem aufschlußreichen Buch "Here Comes The Sun" (*) dazu folgendes:
"Das Magazin Life bezeichnete das Jahr 1968 als 'das Jahr der Gurus', und die Zeitschrift Look sah in den Beatles 'die großen Schriftgelehrten unserer Zeit'.
George selbst war das steigende Ansehen der Gruppe vollkommen gleichgültig. 'Er hat etwas Stärkeres gefunden als die Beatles', erzählte seine Frau Pattie Harrison dem Beatles-Biografen Hunter Davies. 'Gleichwohl will er es immer noch mit den anderen teilen.' Dieses stärkere Etwas - das Bewusstsein einer spirituellen Bestimmung - versah George mit außergewöhnlicher musikalischer Inspiration, und die Kompositionen flossen ihm nur so aus den Fingern.
Sein Song "Long Long Long" auf dem Weißen Album enthielt eine simple Botschaft der Liebe Gottes für die Verlorenen und Geretteten.... George bettete die gedämpfte Botschaft in ein verträumtes Tempo ein und interpretierte den Song mit indischen Instrumenten und einer Folkgitarre. Schon bei seinen frühen Eigenkompositionen hatte er keinerlei Scheu davor gehabt, Elemente aus einer Vielzahl von Quellen und Kulturen zu verschmelzen, wenn sie ihm gefielen.
Um die Segnungen der Meditation zu verbreiten, mauserte sich George zu einem findigen Werbefachmann. Er übertrug Aphorismen aus dem Sanskrittext "Visvasara Tantra" auf eine andere Melodie, die er in Rishikesh geschrieben hatte - daraus wurde dann die schwere Rocknummer "Sour Milk Sea". Dort heißt es, macht das Leben dich fertig ? Du kannst nie ausspannen ? Versuch's mal mit einer Erleuchtung. !
Er wollte eine einfache Faustregel kommunizieren und wählte als Medium dafür einen treibenden, harten Bluesgitarrensound : Wenn du in der Scheiße sitzt, dann lauf nicht herum und jammere. Tu etwas dagegen. !
Die Pilgerreise nach Rishikesh hatte die produktivste Phase in George's Karriere eingeläutet, ein Phänomen, das er der Tatsache zuschrieb, dass er sich dort seiner höheren Bestimmung bewusst geworden sei. "Je mehr ich mir meiner selbst bewusst werde", sagte er später im Jahr gegenüber dem Life Magazin, "desto mehr wird mir klar, dass wir in allem, was wir tun, lediglich eine Inkarnation durchlaufen. Nicht nur für uns selbst, sondern vielmehr für alle anderen um uns herum."
("Not Guilty", Kinfauns Sessions, bei YouTube)
In Rishikesh wurde George außerdem klar, dass seine Bandkameraden nicht daran interessiert waren, ihren Inkarnationspflichten in demselben Maß nachzukommen wie er. Im Gegenteil, es schien vielmehr so, als könnten sie es kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen, um dort anzuknüpfen, wo sie laut zankend aufgehört hatten. Im Juli 1968 waren dann die Spannungen bei den Aufnahmesessions so stark geworden, dass der EMI-Techniker Geoff Emerick die Arbeit niederlegte, weil er die Wutausbrüche und die ständige Flucherei nicht länger ertragen konnte. Wenn es darum ging, andere zu erleuchten, schloss George daraus, war es reine Glückssache, wer darauf ansprach und wer nicht. Diesen Gedanken verarbeitete er in einem neuen Song mit dem Titel "Not Guilty", der im August 1968 in den Abbey-Road-Studios aufgenommen wurde. Dazu sagte er, "obwohl der Song davon handelte, dass mich Lennon-McCartney mit ihrem Gehabe langsam ankotzten, sagte der Song doch auch, dass ich mich nicht schuldig fühlte, wenn ich ihnen bei ihrer Karriere in die Quere gekommen sein, oder auf eine falsche Fährte gebracht haben sollte, dass wir alle nach Rishikesh zum Maharishi gegangen waren ", erklärte er. " Ich wollte für mich selbst nur eine Lanze brechen."
In der Öffentlichkeit wahrte er zwar weiterhin die Interessen der Gruppe und äußerte sich im September 1968 gegenüber der Zeitschrift Time noch so:
"Wir haben noch gar nicht richtig angefangen. Wir haben eben erst entdeckt, wozu wir als Musiker in der Lage sind, welche Barrieren wir überschreiten können. Die Zukunft erstreckt sich weit jenseits unserer Vorstellungskraft."
Für den Privatmann George Harrison jedoch näherte sich sein Leben als Beatle einem Ende. Der Ausflug nach Rishikesh sollte das letzte Mal sein, dass George gemeinsam mit John, Paul und Ringo eine Reise unternahm. Für den Augenblick war George mit seinen spirituellen Interessen sehr allein und trotz Patties Gesellschaft ohne Freunde, mit denen er die Entdeckungen hätte teilen können, die sein Leben so veränderten. ! "
("Circles" bei YouTube)
Aber wie sagte doch im Jahr des Gurus der Maharishi zu George:
"Während die Wege der Masse durchweg zu mäßigen Ergebnissen führen, steuert der dem eigenen Weg Folgende ins selbstgemäße Ziel echter Lebenssinn-Erfüllung.!"
Yeah, yeah, yeah, thats right....
Nur nicht zu weit suchen; denn alles spielt sich in unserer nächsten und allernächsten Nähe ab, was uns zur Belehrung und zu unserem Gesamtfortschritt dienen kann, soll und muß. Im weitesten und fernsten Erdenumkreis wiederholt sich nur stets dasselbe - für andere. Laßt uns selbst heilig sein in unseren urewigen und ureigenen Beziehungen zu Gott, und in unserem täglichen und stündlichen Wirken in ihm - und die Erde ist uns überall ein Heiligtum.!
(*) Quellenangabe für Zitate:
- Joshua M.Green (Yogeshvara Prabhu), Here Comes The Sun, Hannibal 2006